Sehr geschätzte Leserschaft!

Es ist mir ein Anliegen, Euch von einer kleinen Reise zu erzählen, welche ich im Frühjahr im Jahre des All-Vaters 2001 unternommen hatte.
Die Reise, von der ich Euch nun erzähle, hat sich wahrhaftig so zugetragen oder zumindest sind das die Erinnerungen, die ich von dieser Reise mitnahm......
 

Abreise in die Wildnis

Schon seit geraumer Zeit lag ein Pergament bei meiner Korrespondenz, in welchem ich zum ersten Treffen der neuen Stadtgilde „Herren der Ordnung“ eingeladen war.
Da es der HdO bis jetzt noch nicht gelungen war, eine eigene Stadt zu gründen, sollte dieses erste Treffen in einem angemieteten Wappensaal des Burg-Städtchens „Gelnhausen“ stattfinden.
Für jemanden wie mich, der in den südlichen Gefilden der Mittlande im kleinen Fürstentum „Salzburgien“ seine Heimstatt hatte, war dies eine lange und gefährliche Reise, welche nur unter großen Vorbereitungen in Angriff genommen werden konnte.
Einer meiner ersten Besuche galt der ortsansässigen Alchemistin und Kräuterfrau.
Bei diesem gelehrten Weibe besorgte ich mir einige Tränke und Salben, welche mir helfen sollten das raue Klima, die unwirtliche Gegend, die unzähligen Krankheiten und die ungewohnten (und eigenartigen) Speisen der mittleren Mittlande einigermaßen unbeschadet zu überstehen.
So dann begab ich mich zum Geldwechsler, einem kleinen mürrischen Mann, bei dem ich  (gegen eine nicht unbeträchtliche Summe an Wechselspesen) strahlendes, künstlerisch hochwertiges „Salzburgianisches“ Silber umtauschte in die plumpen, grobschlächtig geprägten Münzen der mittleren Mittlande.
Der allseits bekannte und beliebte Anführer der „Crusaders“, Meister Dolgan, hatte mir eine gar vorzügliche Reisewegbeschreibung zu seiner kleinen Burg in der Nähe der Freistadt „München“ übermittelt und mir weiterhin angeboten, ich könnte mich seiner Reise-Karawane zur Burgstadt Gelnhausen anschliessen.
Nun war ich natürlich sehr erfreut ob dieses Angebotes, denn mit einem kundigen und kampferfahrenen Zwerg wie Meister Dolgan würde die Reise nach Gelnhausen um einiges ungefährlicher werden und so nahm ich sein schriftliches Angebot gerne an.
Nichts desto trotz war da jedoch noch der nicht ungefährliche Weg bis zur Freistadt München, die mir etwas sorgen bereitete.
Zwar hatten mir einige weitgereiste Händler verraten, das die Reise im Frühjahr am ungefährlichsten wäre, da zu dieser Zeit die wilde und primitive Urbevölkerung, (welche in den Wäldern und Tälern rund um die Freistadt München hausten), viel zu sehr mit dem Paarungswerben und den Paarungsritualen beschäftigt war und daher ihre normalen Überfälle und Plünderungen vernachlässigte.
Trotzdem überkam mich ein schaudern beim Gedanken an das Kriegsgebrüll dieser Urbevölkerung (welche sich selbst als „Urbayern“ bezeichneten, ein wildes und ungeschliffenes Völkchen.....)
So machte ich mich dem an einem schönen Frühlingstag auf die Reise, bepackte mein Pferd Rosinate 23, verabschiedete mich von meinem Weib und meinen Kindern und begab mich auf die gefahrvolle Reise Richtung Norden.
Als ich nach einigen Tagen schließlich am alten, eingefallen Zollhäuschen vorbeikam, welche die Grenze zwischen den Fürstentum Salzburgien und dem Rest der unzivilisierten Welt kennzeichnete, überkam mich obgleich eine Welle des Heimwehs, doch ich schluckte Tapfer und machte mich weiter auf meinem Weg.
Mehrere Tage und Nächte kämpfte ich mich Nordwärts durch verschiedenen Alpentäler, immer sorgsam darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen und keinem der Ureinwohner zu begegnen.
Endlich, nach mehreren Tagen, erreichte ich die Burg Traunstein, welche an der Handelstrasse zwischen der Freistadt München und der Fürstenstadt Salzburg lag.
Aufatmend ritt ich weiter, war mir doch bewusst, das die Straßenwacht ein strenges Auge auf die Handelsstrasse warf und kaum ein Gesetzloser sich hier blicken lassen lies.
So reiste ich frohen Mutes zur Burg von Meister Dolgan und kam dort auch eines frühen Morgens unversehrt an.
Etwas ermüdet von der langen Reise stieg ich von meinem Pferd und besuchte noch rasch eine kleine Metzgerschenke im Dörfchen Poing, da es mir unhöflich erschien, zu so früher Morgenstunde bei Meister Dolgan zu erscheinen und ihn vielleicht noch im zwergischen Nachtgewande zu erwischen.
Ich betrat die kleine Wirtstube und sah auch gleich einen Metzgergesellen, der gerade mit dem herrichten seiner Wurstwaren beschäftigt war.
Während ich mich in der kleinen Stube umsah, fiel mein Blick auf ein grobschlächtig beschriebenes Schild, auf welchen ein „gar vorzüglicher“ Leberkäse angepriesen wurde.
Da diese Fleischspeise auch im Fürstentum Salzburgien bekannt war, entschloss ich mich, einen kleinen Leberkäseimbiss zu speisen und rief dem Metzgergesellen zu, er möge mich doch etwas von dem Leberkäse mit Gebäck bringen.
Dieser machte sich sofort ans Werk und brachte mir innerhalb kürzester Zeit das Mahl.
Doch wie war ich enttäuscht, als ich erkennen musste, WAS mir der eifrige Geselle da auftischte.
Nun muss man natürlich wissen, wie in meiner Heimat ein Leberkäse auszusehen hatte.
So ein Stück Leberkäse (wie in die Metzger meines kleinen Dorfes servieren) war normalerweise ein 2 Daumendickes, Handgrosses Stück, welches frisch aus dem Bratofen kam und schon, bevor man es überhaupt zu sehen bekam, verführerisch würzig duftend die Nase umschmeichelte.
Der Leberkäse im Dörfchen Poing hingegen stellte sich als 5 hauchdünne, Handteller große Wurstscheiben heraus, welche noch dazu kalt und geruchlos neben dem Weismehlbrötchen lagen.
Nun ja.. andere Länder.. andere Sitten.
Seufzend zahlte ich meine Zeche, (wobei jedoch zur Ehrrettung der Metzgerschenke gesagt werden muss, das die Zeche durchaus günstig war) würgte anstandshalber den Leberkäse hinunter und machte mich dann auf dem kurzen Weg von der Schenke zu Meister Dolgans Burg.
 

Meister Dolgan und die Reise nach Norden

Alsbald stand ich vor den Burgtoren und läutete, um Einlass zu erhalten.
Sogleich wurde mir geöffnet und schon an den Stiegen zum Burgfried erwartete mich Meister Dolgan und sein edles Weib Xenia.
In den Armen trug Meister Dolgan seinen ganzen Stolz und seine ganze Freude, Dolgan Junior, einen  einjährigen gesunden Knaben und auch das wunderhübsche, von langen, rotblonden Harren umrahmte Gesicht der stolzen Mutter Xenia leuchtete in Liebe und Fürsorge zu ihrem Sohn.

(Dem aufmerksamen Leser wird bei meiner Erzählung betreffend die edlen Dame Xenia und auch des weiteren bei der Beschreibung der anderen Edeldamen der HdO auffallen, das ich nur äußerst zurückhaltend die Schönheiten und Reize dieser Damen beschreibe.
Dies mag zwar ungewohnt für jemanden klingen, der mit dem Schwung meiner Feder vertraut ist und es liegt auch sicherlich nicht daran, das es bei den Edeldamen nichts zu beschreiben und erzählen gäbe, die Götter seien mein Zeuge, das wahre Gegenteil ist der fall, reichlich und mannigfaltig sind die Schönheiten der Damen der HdO.
Doch ist es nicht schicklich, die Schönheit von Damen zu ausschweifend zu beschreiben, deren Männer ebenfalls Edle Mitglieder und Streiter für die Sache der HdO sind.
Gar manch eifersüchtiger Ehemann oder Liebhaber könnte meine Beschreibung seiner Geliebten, wenn ich zu ausführlich und eindringlich darüber berichten würde, reichlich falsch interpretieren, und da ist nicht mein Wille ist, noch vor der ersten Stadtgründung der HdO den Titel „KOS“ von ebenjenen Ehemännern und Liebhabern zu erhalten, übe ich mich in vornehmer Zurückhaltung und beschreibe nur recht oberflächlich all die liebreizenden Edeldamen der HdO.)

Zwar waren mir Meister Dolgan und Dame Xenias persönlich noch niemals begegnet, unsere Bekanntschaft beschränkte sich auf Briefwechsel, doch fühlte ich mich im Burgfried der beiden als gerne gesehener Gast und alsbald führten wir interessante Gespräche über Abenteuer auf anderen Welten, welche wir alle drei besucht hatten.
Dame Xenia kredenzte mir noch einen vorzüglichen schwarzen Wein aus den Südlanden auf und machte sich hernach daran, die letzten Reisevorbereitungen zu organisieren, während Meister Dolgan und ich über die möglichen Ereignisse beim ersten Treffen der Herren der Ordnung diskutierten.
Nach einiger Zeit erschienen die Eltern der Dame Xenia, beides respektable und ehrfurchtgebietende Persönlichkeiten, um sich des Knaben Dolgan Junior anzunehmen, der während der Reise seiner Eltern auf der Burg seiner Großeltern sicherlich mehr als fürstlich umsorgt werden würde.
Nun mögen sich einige fragen, welche göttliche Magie oder welch schwarzes Dämonenwerk dahinter stecken könnte, das ein Zwerg wie Meister Dolgan und eine edle Menschenfrau wie die Dame Xenia einen so wohlgestalteten Sohn wie Dolgan Junior  bekommen konnten (der den Göttern sei dank ganz der Schönheit seiner Mutter nachkam).
Als Gast und Ehrenmann geziemte sich mir jedoch nicht solch eine unverschämte Frage und so mag dieses Rätsel (sowie jenes, wie ich es als Halbelf zu Nachkommen geschafft habe) eines bleiben, das nie gelöst und daher immer als Wunder gelten wird.

Dame Xenia hatte nun die letzen Reisevorbereitungen erledigt, das Reiseproviant war gepackt, ich hatte meine Rosinate 23 in den Stallungen der Burg untergebracht und gemeinsam fuhren wir mir der Kutsche von Meister Dolgan am späten Vormittag gegen Norden, auf die endlos lange Reise zur Burgstadt Gelnhausen.
Die Tage der Reise vergingen wie im Flug, den nun, da man sich näher kannte, hatten Meister Dolgan, Dame Xenia und meine Wenigkeit sich vieles zu erzählen und so zeigte sich niemals das aschfahle Gesicht der Langeweile.
Noch dazu waren auf dem gut bewachten und oft befahrenen Handelsweg von der Freistadt München gegen Norden unterwegs und keinerlei Gesindel wagte es, die Wachsamkeit der Straßenwacht auf die Probe zu stellen.
Unterwegs teilte mir Meister Dolgan mit, das auf der Höhe der Festung Nürnburg (welche sich zirka auf dem halben Wege zu unserem Reiseziel befand) bei einer kleinen Rastschenke weitere Gefolgsmannen der HdO mit uns zusammentreffen würden.
Da sich uns keinerlei Widrigkeiten in den Weg stellten und auch das oftmals auf dem Handelsweg gesehene Monster „Stau“ sich nicht blicken lies, kamen wir zügig voran und waren alsbald bei der Rastschenke in der Nähe der Festung Nürnburg angekommen.

Dort mussten wir nur kurze Zeit warten, als auch schon unsere drei neuen mitreisenden in ihrer Kutsche eintrafen.
Vorne auf dem Kutschbock konnte man schon von weitem einen Halbelfen erkennen, dessen bloßes Antlitz schon auf seine Identität schließen lies.
Mit breitem lächeln, wobei seine Mundwinkel fast an seinen Ohren anstießen, begrüßte uns „Lächler“ mit einem freudigen Hallo...
Neben ihm auf dem Kutschbock saß ein etwas griesgrämig dreinblickender Zwerg,(der, wie wir später erfuhren, Belhalhar hieß) welcher so aussah, als habe er großes Leid erfahren müssen... und müsste es immer noch erleiden.
Die Quelle seines Schmerzes wurde uns alsbald offenbar, als aus dem Wageninneren eine laute, fröhliche Stimme uns mit einer hellen Baritonstimme begrüßte und sich sogleich ein eleganter Elf aus der Kutsche schwang und laut redend und mit den Armen gestikulierend auf uns zustürzte.
Dolgan, ein welterfahrener Zwerg, nahm sofort eine Verteidigungsstellung ein, nur ich war ob dem plötzlichen erscheinen des wild gestikulierenden und laut plappernden Elfen so perplex, das ich mich schon in seiner freundschaftlichen Umarmung wiederfand, bevor ich überhaupt aus meiner Erstarrung erwachte.
Aus seinem Redeschwall entnahmen wir unter anderem, das er Graue Eminenz genannt wurde, das seine Berufung die eines Heilers sei, das er sehr erfreut war, uns endlich kennen zulernen und.. und.. und......

Um das Licht des Tages noch zu nutzen (und um dem Redeschwall der Grauen Eminenz zu entkommen) beschloss Dolgan alsbald, das es Zeit zur weiterreise sei.
Unsere kleine Karawane wurde nun von Lächlers Kutsche angeführt, denn mit ihm reiste die Graue Eminenz, welche sich in den nördlichen Gefilden rund um die Festung Frankfurt auskannte und uns daher den Weg weisen konnte.
Belhalhar warf noch einmal einen sehnsüchtigen Blick auf Dolgans Kutsche, musste sich aber eingestehen, das selbst für einen Zwerg darin kein Platz mehr war.
So stieg er seufzend auf den Kutschbock neben Lächler, dem das Dauergeplauder der Grauen Eminenz offenbar nicht in seiner guten Laune stören konnte und weiter ging die Reise zur Burgstadt Gelnhausen.
Die weitere Reise Richtung Gelnhausen verlief einigermaßen Ereignislos, davon abgesehen, das uns die Reisenden, die uns entgegen kamen, schauerliche Geschichten vom Handelsweg plagenden Monster Stau berichteten und das wir von unserer Kutsche aus die wild gestikulierende Graue Eminenz beobachten konnten, wie er mit Händen und Füssen seinen Mitreisenden Geschichten erzählte.

Kurz nach der Festung Frankenfurt verließ uns die Kutsche des Lächlers, um die graue Eminenz auf einen kurzen Abstecher in eine befreundete Burg zu bringen.
So verabschiedeten wir uns winkend von unseren Reisegefährten, in der Hoffnung, sie alsbald in Gelnhausen wiederzutreffen.
Ob unseres Trennungsschmerzes verloren wir leider die Übersicht und nahmen bei einer schlecht beschilderten Wegkreuzung die falsche Abzweigung, was uns aber nur kurz vom Weg abbrachte, den bald hatten Meister Dolgan und Dame Xenia den richtigen Weg wieder erkundet und nach kurzer Zeit trafen wir dann in der Burgstadt Gelnhausen ein.

Was immer man nachteiliges über die Zivilisation der mittleren Mittlande sagen konnte, die Burgstadt Gelnhausen leuchtete wie ein Juwel in der Finsternis der sie umgebenden Barbarei.
Die Stadtmauern waren hoch und  ehrfurchtgebietend, viele fahrendes Volk und viele Händler durchquerten die Stadttore in beiden Richtungen, unter den strengen Augen der gut ausgebildeten Stadtwache.
Die Häuser der Stadt zeugten von Wohlstand und Anstand, wohin man auch sah, waren Bürger und Reisende bei der Ausübung ihres Handwerks.
Nun war es für uns an der Zeit, unsere Kutsche durch das Stadtgewühl zum Wappensaal in die Zenthscheune zu führen, wo das Treffen der Herren der Ordnung stattfinden sollte.
So fragten wir denn eine einheimische Magd, wo denn wohl diese Zenthscheune zu finden sei.
Diese Magd, eine Perle dieser Stadtbevölkerung, antwortete uns im reinsten, unverfälschten Hinterwälder-Dialekt und ich bin zu meiner Schande leider außerstande, diesen Erguss des mittländischen Dialekts wortgetreu wiederzugeben.
Sinngemäß erläuterte sie uns wohl, das sie ABSOLUT keine Ahnung hätte, wer, wo oder was diese Zenthscheune den sein könnte.
Leicht verdattert fuhren wir mit Meister Dolgans Kutsche weiter und kamen immer tiefer in die Altstadt von Gelnhausen, dort wo die Gassen so eng waren, das man nur mit Müh und Not seine Kutsche unbeschadet an den Häuserwänden vorbei brachte.
Als wir schon leicht verzweifelt waren und uns fragten, ob wir aus dem Gassengewirr jemals wieder unbeschadet herausfinden würden, sah mein geschultes Auge eine kleine Schenke, welche sich „Burgstüberl“ nannte.
So dachten wir, ein eingeborener Wirt würde uns wohl den Weg heraus aus diesem Labyrinth und zur Zenthscheune erklären können und fragten sogleich den Wirt, welcher sich gerade vor seiner Schenke befand und dort den Boden vom Unrat befreite.
Meister Dolgan, ein wortgewandter Reisender, sprach den Wirt an:
“Sagt, guter Mann, wäre es in Bereich des Möglichen, das ihr unter Umständen über das Wissen und den Willen verfügt, uns den Weg zur Zenthscheune zu erklären?“
Nun staunten wir nicht schlecht, als der Wirt dieser einheimischen Schenke sich als Mann aus den tiefen der Südlande herausstellte und uns mit gebrochenen Mittländisch antwortete:
„Gruß, Reisender. Die Zenthscheun sein gleich um Ecke, nix weit von hier, 50 Fuß auf rechte Seite. Ihr können nicht verfehlen.“
Wir bedankten uns höflich bei dem südländischen Wirt, welcher trotzt seiner fremdländischen Herkunft sich weit besser in dieser seiner Wahlheimatstadt auskannte, als manch eingeborene Magd.
Und wahrlich, der Wirt hatte rechtens gesprochen, hinter der nächsten Hauserecke sah man tatsächlich schon die Zenthscheune, ein zweistöckiges Gebäude aus rotem Backstein, das rote Ziegelsteindach glänzend in der Nachmittagssonne.
Vor diesem stattlichen Gebäude sah man schon viele Kutschen und Pferde stehen und allerlei Leute tummelten sich dort emsig herum.
 
 

Das Fest

Als wir mit unserer Kutsche vorsichtig heranfuhren, konnte ich nun auch ein hochgewachsenen Mann in der Menge erkennen, welcher in der Rechten einen Humpen trug und gebieterisch einigen Leuten Anweisungen gab.
Anhand seiner spitzen Ohren, seines langen, zu einem Pferdeschweif gebundenen Haares und auch, weil ich sein Gesicht schon einmal dereinst in einer magischen Kristallkugel sah, konnte ich sofort den ehrenwerten Botschafter der HdO erkennen, Fürst Sindar Elthwyn.
Als der Fürst uns kommen sah, kam er uns sogleich entgegen, begrüsste uns höflichst, stellte uns einigen der anwesenden Edelleuten vor und führte uns dann in den Wappensaal, welcher sich in der Zenthscheune befand.
Dort angekommen, sahen wir schon weitere Edelleute der HdO, welche sich schon an den dargebotenen Getränken bedienten und sich bereits prächtig unterhielten.
Auch ich besorgte mir vorsichtig einen der angebotenen Gerstensäfte, vorsichtig deshalb, weil mir einige dieser Gerstensäfte mehr als nur seltsam vorkamen.
Doch alles in allem war das fremdländische Gebräu durchaus genießbar, wenn es auch natürlich keinen Vergleich mit der Braukunst meines Heimatlandes standhielt.

Immer mehr Edelleute der HdO trafen ein, die Hallen füllten sich, Speis und Trank erfreuten die Reisenden aus allen Gebieten der Mittlande und schließlich erschien der Imperator Baladnaran persönlich und begrüßte jeden einzelnen seiner Gefolgschaft, bevor er sich dazu aufmachte, mit Unterstützung seines Botschafters eine Begrüßungsrede zu halten, in welcher er alle angereisten Mitglieder der HdO nochmals herzlich willkommen hieß.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der fremdländische Gerstensaft, welchen ich todesverachtend zu mir genommen hatte, bereits seine erste vernebelnde Wirkung bei mir gezeigt, doch auch der Imperator hatte offenbar schon mit vielen Leuten angestoßen, so das wir beide nicht mehr ganz die Herrschaft über unser Gleichgewicht hatten.

Darum ist es mir leider auch nicht möglich, die folgenden Ereignisse in chronologisch richtiger Reihenfolge wiederzugeben.
Doch meine geschätzten Leser werden das sicher verstehen und verzeihen.

So ist hier nun erst mal erwähnenswert, das schließlich auch Rotwein den Weg ins Fest fand.
Während ich noch misstrauisch eine Flasche untersuchte, welche sich in einer fremdländischen Sprache auswies, die mir als französisch bekannt war, begannen schon einige Edelleute der HdO das gewagte Experiment mit dem Traubensaft, welcher offenbar von unseren französischen Verbündeten als kleine Aufmerksamkeit für das Treffen gesandt worden war.
Da die anderen Edelleute nach den ersten Schlucken des Franzmann-Weins keinerlei Vergiftungserscheinungen zu haben schienen, wagte auch ich es, vom roten Traubensaft zu kosten.
Doch ich hätte es besser wissen müssen, war doch von den Franzmannen bekannt, das sie auch Froschschenkel zu ihren Nahrungsmitteln erkoren und das französisches Weisbrot die dicke und Länge von Kurzschwertern hatte.
So war der Wein der Franzmannen zwar durchaus süffig und rund, doch seine teuflische Wirkung sollte er erst am nächsten Morgen offenbaren.

Auch will ich nicht vergessen zu erzählen, das außer der Dame Xenia weitere Edeldamen das Fest der HdO besuchten.
Da wäre zu erwähnen die edle Chyna, eine blonde Schönheit nordländischen Geblüts (wenn mich meine benebelten Augen nicht getrügt haben).
Auch die zierliche, dunkelhaarige Gräfin Kaya Shahad erleuchtete die Hallen der HdO mit ihrer Anwesenheit und die Baronesse Susanne erfreute uns ebenfalls mit ihrem Erscheinent.
Und noch eine weitere Dame erspähte mein schon leicht getrübtes Auge, doch auch unter Androhung noch mehr mittelmittländischen Gerstensaftgebräus kann ich mich nicht mehr an den Namen dieser geheimnisvollen Schönheit erinnern.
Sehr gut jedoch kann ich mich an den Namen eines Halbriesen erinnern, dessen Kampfgeschrei lauthals durch den Wappensaal donnerte.
„ÖRKS TÖTEN“, mit diesem markerschütternden Schrei erschien Baron Drago, ein gewaltiger, blondmähniger Halb-Riese, welcher als Leibwache des Imperators dafür sorgte, das keine ungebetenen Gäste den Lordprotektor belästigten.
Später am Abend, als das Fest bereits im großen Gange war, traf ich mich, schon leicht benebelt durch das Französische Attentat, mit Baron Drago, welcher ebenfalls bereits leicht angeheitert war und er erzählte mir im fremdländischen Dialekt der Halbriesen von seinem liebsten Hobby, dem „Örk töten“.
Nun wollte ich die Gunst der Stunde nutzen und Baron Drago in einige Geheimnisse der Orkjagd einweihen.
Doch obwohl ich ihn während meinen Ausführungen mit mehreren Humpen stärksten Gerstensaft versorgen ließ, schaute er recht zweifelnd ob meiner Erklärung, Orks würden sich gerne tarnen mit langen, spitzen Ohren, langem wallenden Haar, bleicher Haut und hochnäsigen Gesichtsausdruck.
Als dann auch noch der Botschafter Sindar und der Elf Xenos von der Imperialen Gilde „NewSteelWind“ in unserer Nähe auftauchten, musste ich meine Überzeugungsarbeit leider frühzeitig beenden, denn sonst wäre es mir eventuell doch noch gelungen, den Halbriesen Drago davon zu überzeugen, das zwischen Orks töten und Elf töten kaum ein großer moralischer Unterschied wäre.

Noch mit vielen anderen interessanten Mitgliedern der HdO kam ich an diesem Abend ins Plaudern, so war da zum Beispiel jemand, der mich davon zu überzeugen versuchte, das Mittländer und südliche Mittländer den gleichen kulturellen Hintergrund hatten und daher eigentlich ein Volk wären.
Trotz meines schon leicht beeinträchtigten Zustands (ein Fluch hier auf das Franzmann-Getränk) musste ich solch eine Volksvereinheitlichung jedoch forsch von mir weisen.
Auch hielt der Imperator noch einige weitere Reden, die mir jedoch hauptsächlich dadurch in Erinnerung blieben, das der Imperator bei jeder weiteren Rede immer größer Probleme hatte, sich zu artikulieren beziehungsweise gerade auf seinem Stuhl zu stehen, und das die Stimme des Elfen-Heilers Graue Eminenz bei jeder dieser Ansprachen um vieles lauter zu hören war als die Stimme des Imperators.

Auch hier war wieder der vernichtende Einfluss des Franzmann-Rotweins zu spüren, weshalb  meine sehr geschätzte Leserschaft mir zustimmen wird, das die legendäre Qualität des französischen Rotweins wahrscheinlich ebenso wie die legendäre Liebeskunst der Franzmannen ins Reich der Fabeln und Mythen gehört.
Zu meiner eigenen Schande muss ich nun auch gestehen, das ich einige Male vom Imperator aufgefordert wurde, etwas unterhaltsames zur Erbauung der Edelleute von mir zu geben.
Doch ach, der verfluchte Wein hatte mich schon zu sehr unter Kontrolle, kaum ein Wort der Unterhaltung kam über meine Lippen, es wollten mir partout keine spaßigen Anekdoten einfallen, um die versammelten Edelleute zu unterhalten.
Ich darf nur unterwürfigst hoffen, das man mein Unvermögen nachsichtig behandelt, denn zu keiner Zeit war es meine Absicht, die Edelleute der HdO zu enttäuschen.

Am weiteren Abend führte ich noch ein tiefsinnig-philosophisches Gespräch mit Meister Dolgan, welcher ein sehr gläubiger Kreuzritter des All-Vaters war.
Unter anderem versuchten ich und Meister Dolgan, den Herzog Tohen Osscaedor vom Kreuz des freien Willens, vom Fluch der Freiheit zu überzeugen.
Ich und Meister Dolgan waren wohl das beste Beispiel für das in meinen Land so beliebte Sprichwort:
“Von Zwergen und Narren, kannst Wahrheit erfahren“.

Und als einen meiner letzen unrühmlichen Höhepunkte hatte ich mit Baron Drago noch ein weiteres kleines Gespräch, welches im Rausche des verteufelten Franzmann-Weines nur noch unter das Kapitel „Den moralischen kriegen“ einzuordnen war.
So heulten sich Halbelf und Halbriese an der jeweiligen Schulter des anderen aus über die Ungerechtigkeit der Welt, ein Zustand, den nur über dreißig-jährige Männer (gleich welcher Rasse) im Rausche des Alkohols richtig verstehen können.
Einige Gelehrte haben diesen Zustand auch oft mit „Die Krise des Mannes in den mittleren Jahren“ tituliert, aber was verstehen diese Quacksalber schon davon......
Wir waren wahrscheinlich wahrlich ein Bild des Jammers, welch Glück, das ich zu betrunken war, ich hätte mich ob meines jämmerlichen Anblickes wahrscheinlich in Grund und Boden geschämt.
Ganz dunkel kann ich mich auch noch an einen Streit zwischen dem Elfen Graue Eminenz und dem Zwerg Belhalhar erinnern, allein, ich könnte nicht sagen, um welch wichtig-weltbewegende Dinge sich der Disput drehte, höchstwahrscheinlich um Meinungsverschiedenheiten, die nur ein Zwerg oder ein Elf imstande ist zu verstehen.....
So kam es, wie es kommen musste, einige Zeit nach Mitternacht löste sich die Feier auf, und man sah sich nach einer Unterkunft für die Nacht um.
In vager Erinnerung geblieben ist mir hier die Tapferkeit der Gräfin Kaya Shahad, welche sich mit einen kleinen Trupp tapferer Edelleute dazu bereit erklärte, in der Höhle des Botschafters Sindar zu übernachten.
Keine zehn Wildpferde hätten mich dazu gebracht, mich in die Höhle eines Mitgliedes meiner Erzfeindrasse zu begeben, um dort die Nachtruhe anzutreten.
So lehrt uns diese Geschichte wieder, das auch im zierlichsten Körper einer Edeldame das tapfere Herz einer Berglöwin schlagen kann.
Noch heute schaudert mich gräulich bei dem Gedanken ......

Darum nahm ich also meine Decken aus der Kutsche des Meisters Dolgan und legte mich mit den  wenigen verbliebenen Edelleuten Meister Dolgan, Dame Xenia, Lächler und Belhalhar und einigen anderen zur Ruhe in den Hallen der HdO, wohl wissend, das der Edle Graf Cybergolem die Nacht über uns wachen würde, auf das kein Gesindel meine Nachtruhe stören konnte.
 

Abreise und Heimkehr

Schon früh morgens, nach nur kurzem Schlafe, wurde ich geweckt, und zwar führte mir der Zwerg Belhalhar den akustischen Teil von Zwergenarbeit vor.
Bei diesem Geräusch war natürlich an Weiterschlaf nicht mehr zu denken, vor allem, da auch Meister Dolgan nun offenbar überzeugt war, seinem Zwergenkollegen akustisch zur Hand, soll heißen, zur Stimme gehen zu müssen.
Daraufhin ließ ich den Gedanken an Weiterschlaf seufzend entweichen und wankte zu den spärlich bemessenen Waschgelegenheiten, um mittels des kühlen Nasses die Müdigkeit zu verscheuchen.
Unterwegs begegnete ich auch Graf Cybergolem, welcher tapfer die Nacht über uns gewacht hatte, sein grimmiger Morgenblick vergewisserte mich, das alles in Ordnung war.
Zur Beseitigung der üblen Nachwirkungen des Franzmann-Gesöffs hatte ich mir schon in meinem Heimatdorf den weithin bekannten Alchemistentrank ASPIRIN besorgt, und so schluckte ich nun diese heilende Gebräu, um mich vom Fluche des Rotweins zu befreien.

Zur Aufmunterung meines schläfrigen Geistes fand ich in der Küche des Wappensaals noch einiges an schwarzen, südländischen Wein, welcher dafür berühmt ist, eine stark erfrischende Wirkung zu haben.
Zwar war dieser Wein noch vom letzen Abend und außerdem auch noch kalt, aber da vom Küchenpersonal niemand zu sehen war, nahm ich tapfer mehrere Gläser des dunklen Getränks zu mir, denn es war für mich ja nicht das erstemal, das ich kalten schwarzen Wein trank.
Die Bitterkeit dieses Trunkes machte mich alsbald auch wieder frisch und munter und auch die anderen Edelleute, welche in dem Wappensaale übernachtet hatten, kamen langsam aus dem Reich des mythischen Morpheus wieder zurück.

Nun erst erkannten wir, das auch der Imperator in den Hallen der Ordnung zurückgeblieben war, ein kluger Mann, denn auch er war nicht in die Höhle des Botschafters gegangen.
Doch war der Imperator leider bis zu meiner Abreise am Vormittag des selben Tages nicht mehr ansprechbar, so sehr hatte ihm der Franzmann-Wein zugesetzt.

Da wir in unsere Heimat noch eine weite Reise zurückzulegen hatten, brachen wir alsbald auf, die Kutsche Meister Dolgans mit der Dame Xenia und mir und die Kutsche des Lächlers mit Zwerg Belhalhar und dem Grafen Cybergolem.
Wir machten noch einen kleinen Umweg an die Fährenstation Hanau, wo uns Graf Cybergolem verlies, um eine Fähre in sein Heimatland zu nehmen.
Hernach reisten wir zügig wieder Richtung Süden, zur Festung Nürnburg, der Heimatfeste von Lächler und Zwerg Belhalhar.
Kurz machten wir Rast beim Wirtshof des Lächlers, welche eingeweihte unter dem Namen „Zum gebratenen Bambi“ kennen.
Dort übergab mir Lächler einige mythische Schriften, welche er auf meine Bitte hin besorgt hatte.
Auch trafen wir dort sein holdes Weib, welches schon im letzen Monde einer Schwangerschaft war und wohl alsbaldigst niederkommen würde.
Ebendiese zukünftige Vaterschaft eines Halbelfen wird wie vieles andere auch für immer eines der unergründlichen Wunder dieser unserer Welt bleiben.

So wünschten wir Lächler, seinem holden Weibe und dem Zwerg Belhalhar Glück und Segen und machten uns weiter auf dem Weg zum Burgfried von Meister Dolgan.
Die Tage vergingen ereignislos, es erzählten uns zwar Reisende, welche aus dem Süden kamen, das Monster Stau sei wieder auf dem Handelsweg gesichtet worden, doch unsere Heimreise war vom Allvater gesegnet, und der Anblick dieser Bestie blieb uns auch diesmal erspart.
Ohne weitere Unterbrechung  fuhren wir zur Burg von Meister Dolgan, wo ich mich herzlichst bedankend vom Meister und der Dame Xenia verabschiedete, mein treues Pferd Rosinate 23 sattelte und mich auf den Weg in die heimatlichen Berge machte.
Mein Heimweg führte mich durch schon bekannte Wälder und Berge und ich spornte mein Pferd zur Eile an, denn die Werbungs- und Paarungszeit der wilden Urbayern mochte bald zu Ende gehen und ich wollte sicherlich keinem dieser wüsten Unholde über den Weg laufen.
Als ich erleichtert am alten, verfallenen Zollhäuschen vorbeikam und wieder die frische, ehrliche Luft meines Wahlheimatlandes genoss, wusste ich, das nur noch ein kurze Weg mich von meinen Liebsten trennte.
So spornte ich Rosinate noch einmal zu schnellem Laufe an, und schon nach wenigen Tagen sah ich mein kleines Wehrgehöft wieder, mein geliebtes „Vogelweida“.
Und wenn ich hier nun sitze an meinem Tische in meiner Arbeitskammer, meinen Reisebericht auf Pergament kritzle,  meinem holden Weib beim Singen in der Küche lausche, meine Kinder höre, welche unbekümmert durch den Hof und über die Wiesen tollen, dann weiß ich, warum größere Dichter als ich der Meinung sind:

„Dort, wo Dir Heimat ist, da lass Dich nieder...
  Das Wörtchen „Heimat“ erzählt oft mehr als tausend Lieder....“
 

Eurer untertänigster Barde und Possenreißer
 
 

               MAKABRE von Vogelweida
 
 
 

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